Pilz- und Kräuterkunde
Pilz des Jahres 2021
Pilz des Jahres 2021:
Grünling (Tricholoma equestre)
Während der Herbsttagung des Landesverbandes der Pilzsachverständigen in Sachsen-Anhalt wurde in Klietz der Grünling von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zum Pilz das Jahres 2021
ernannt.
Man findet ihn im Herbst und Spätherbst besonders in sandigen, oft flechtenreichen Kiefernwäldern, oder auf sauren Lehmböden, während er kalkhaltige Böden meidet. Er ist Mykorrhizapartner von Nadelbäumen und lebt z. B. in Symbiose mit Kiefern.
Seine teilweise kräftigen Fruchtkörper können bis ca. 12 cm Durchmesser erreichen. Die jung mehr halbkugeligen Hüte sind später flach ausgebreitet, der Hutrand ist anfangs eingerollt, bei älteren Exemplaren meist wellig verbogen. Seine gelb-grünliche bis gelb- oder olivbraune Huthaut ist mit feinen, anliegenden Schüppchen ± konzentrisch besetzt. Bei Feuchtigkeit ist sie sehr schmierig, trocken mehr klebrig, auf ihr haften häufig Nadeln oder Sandkörner. Die ziemlich dicht stehenden, gedrängten Lamellen sind zitronen- bis schwefelgelb gefärbt und um den Stiel tief ausgebuchtet angewachsen. Der zylindrische, bis ca. 8 cm lange Stiel ist an der Basis meistens etwas keulig verdickt. Seine matt-seidig glänzende Oberfläche ist hell- bis schwefelgelb gefärbt, die häufig tief in die Erde eingesenkte Stielbasis ist manchmal etwas dunkler bräunlich. Das milde, weißlich bis cremegelbe Fleisch hat einen deutlichen Geruch nach Mehl, bzw. frisch geschnittenen Gurken.
Auf der Huthaut des Grünlings kleben Nadeln und Sandkörner, die Lamellen sind ausgebuchtet und engstehend
Foto: Ursula Hirschmann
In älteren Pilzbüchern wurde er als ausgezeichneter Speisepilz bezeichnet, der auch viele Jahre als Marktpilz zugelassen war. In unserer Umgebung wuchs er oft in großer Anzahl und wurde gerne gesammelt.
Allerdings geht sein Vorkommen überall schon seit etlichen Jahren deutlich zurück. Deshalb nahm man ihn schließlich als schützenswerte und seltene Art in die Bundesartenschutzverordnung vom 16. Februar 2005 auf. Seitdem darf er nicht mehr gesammelt werden.
Verwechselt wird er manchmal mit dem Grüngelben Pfefferritterling (Tricholoma aestuans) oder Galligen Ritterling, wie er auch noch genannt wird. Seine Hutfarbe ähnelt der des Grünlings, aber der Hut ist meist spitzgebuckelt, die Lamellenschneiden sind schartig gesägt und er schmeckt erst brennend scharf und dann bitter.
Der Hut des Gelbgrünen Pfefferritterlings ist meist spitzgebuckelt
Foto: Fritz Hirschmann
Außerdem kam es früher immer wieder zu Vergiftungen mit Brechdurchfällen, weil Grünlinge mit den unter Laubbäumen wachsenden, giftigen Schwefelritterlingen (Tricholoma sulphureum) verwechselt wurden. Aber sie unterscheiden sich durch einige wichtige Merkmale, u. a. den sehr unangenehmen, karbid- oder leuchtgasartigen Geruch.
Im Mischwald stehen Grünling, mit engstehenden Lamellen
Foto: Fritz Hirschmann
und Schwefelritterling mit entfernt stehenden Lamellen oft dicht beieinander
Foto: Fritz Hirschmann
Schon seit 2001 warnten Mykologen vor dem Verzehr des Grünlings, dessen gefährliche Giftigkeit französische Wissenschaftler entdeckten. Sie hatten 12 schwere Vergiftungsfälle, die in Frankreich nach dem Genuss von Grünlingen in den Jahren 1992 bis 2000 auftraten, untersucht. Seit 2005 hat Frankreich die Einfuhr und den Verkauf von Grünlingen verboten. 2006 wurde er in finnischen Lehrbüchern als Speisepilz gestrichen. Vom Verzehr der Grünlinge wurde inzwischen in einigen Ländern, z. B. BRD, Finnland, Frankreich, Italien, Schweiz und Spanien abgeraten.
An den Folgen der durch die Grünlinge ausgelösten Rhabdomyolyse waren drei Personen verstorben. Ein weiterer Mann verstarb 2009 ebenfalls, nachdem er innerhalb weniger Tage mehrere Grünlingsmahlzeiten zu sich genommen hatte.
Zu Vergiftungen kam es auch in Polen, wo er viel gesammelt und gegessen wird. Dort konnten z. B. eine Mutter und ihr Kind nach einem 23-tägigen Krankenhausaufenthalt als geheilt entlassen werden.
Rhabdomyolyse kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, z. B. durch Quetschungen, Stromunfälle, Autoimmunerkrankungen,
Infektionen oder Intoxikationen durch Alkohol, Heroin, LSD, Schlangengift … und durch Pilze.
Neben Appetitlosigkeit zählen Mattigkeit, Müdigkeit, Muskelschmerzen - vor allem in den Oberschenkeln - und Muskelschwäche zu den
ersten Symptomen der Vergiftung. Etwa 24 bis 72 Stunden beträgt die Latenzzeit nach dem letzten Pilzgericht.
Durch die Rhabdomyolyse werden bei den erkrankten Personen die quer gestreiften Muskelfasern (evtl. Skelett-Herzmuskulatur, Zwerchfell)
aufgelöst. Durch den Muskelzerfall gelangen intrazelluläre Muskelbestandteile in den Blutkreislauf. Je intensiver diese
Abbauvorgänge sind, desto stärker sind die Nieren von den entstehenden Abfallprodukten betroffen. Die zunehmende Verschlechterung des
Gesundheitszustandes zeigt sich in den nächsten 3 bis 4 Tagen z. B. durch Beinsteifheit, leichte Übelkeit (ohne Erbrechen) sowie dunkel
gefärbten Urin an.
In schweren Fällen kann es zu heftiger Atemnot, Fieber bis 42°, akutem Nierenversagen, Herzinfarkt und Herzstillstand kommen.
Über eine sehr lange Zeit, eventuell über Jahrhunderte hinweg, galt der Grünling als guter Speisepilz. Der Grünling ist eine Sammelart, die genaue Artabgrenzung erfolgt genetisch oder über Trennmerkmale wie z. B. Ökologie und Morphologie. Es ist noch nicht endgültig geklärt, was genau zu den Vergiftungen durch diese Ritterlinge führt. Er sollte auf keinen Fall als Speisepilz verwendet werden, solange die Ursachen, der manchmal tödlich verlaufenden Vergiftungen durch diesen Pilz nicht restlos bekannt sind.
Außerdem können noch andere Pilzarten eine Rhabdomyolyse auslösen, wie Forscher z. B. in Tierversuchen festgestellt haben. Auch hier müssen wir die endgültigen Ergebnisse abwarten - um dann gegebenenfalls von weiteren Pilzarten abzuraten.
Die Pilzberater der Naturhistorischen Gesellschaft warnen vor dem Verzehr des Grünlings (Tricholoma equestre) und geben ihn nicht mehr als Speisepilz frei. Wobei ihn sowieso niemand sammeln sollte, nachdem er schon seit Jahren komplett unter Naturschutz steht.
Text: Ursula Hirschmann
Fotos: Fritz und Ursula Hirschmann
Literatur: Guthmann, Hahn „Die Pilze Deutschlands“
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