Pilz- und Kräuterkunde
Pilz des Jahres 2020
Pilz des Jahres 2020:
Gewöhnliche Stinkmorchel (Phallus impudicus)
Die Stinkmorchel gehört zu den „Pilzblumen“, das sind Pilze, die überwiegend in den Tropen und Subtropen vorkommen.
Wir finden sie öfter gesellig in Nadelwäldern, besonders in der Fichtenstreu, aber auch im Laubwald oder in Mischwäldern. Sie wächst bei uns hauptsächlich von Juni bis Oktober, teilweise auch noch im November.
Eine Gruppe unterschiedlich weit entwickelter „Hexeneier”
Foto: Claudia Menth
Die Fruchtkörper entwickeln sich zunächst unterirdisch, dann schiebt sich der junge Pilz, das eiförmige, bis fast kugelige „Hexenei“ aus dem Boden. Es ist von einer weißlich bis schmutzig-cremefarbigen Gesamthülle umgeben. Im Schnitt sieht man unter der häutigen Exoperidie eine gallertige Schicht, die Endoperidie. Diese Gallertschicht bewirkt, dass die Fruchtkörper bei trockenem Wetter nicht so leicht austrocknen. Sie umhüllt den schon fertig entwickelten Pilz. Die olivgrünliche Gleba (Fruchtschicht) bedeckt den fast fingerhutförmigen Kopfteil. In der Mitte sieht man den weißen, jetzt noch stark zusammengepressten, hohlen Stiel. An der Basis haben die „Hexeneier“ meist einen kräftigen,
wurzelartig verlängerten weißen Mycelstrang.
Verschiedene Altersstufen der Stinkmorchel - links ein voll entwickelter, reifer Fruchtkörper, rechts ist die Fruchtschicht
bereits „abgeerntet”, in der Mitte ein aufgeschnittenes „Hexenei”in dem der bereits fertig entwickelte Pilz zu sehen ist
Foto: Fritz Hirschmann
Die noch geschlossenen „Hexeneier“ sind sogar essbar. Sie werden abgeschält, in Scheiben geschnitten und in der Pfanne gebraten. Sie sollen etwas rettichartig riechen und schmecken.
Bei Reife des Fruchtkörpers reißt die Gesamthülle auf. Der sterile Stiel, das Receptaculum, dehnt und streckt sich, wird löcherig porös. Man kann ihm beim Wachsen fast zusehen, innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht er eine Länge von ca. 20 cm und einen Durchmesser von etwa 4 cm. Die manchmal verdickte Stielbasis wird häufig von den Hüllresten der aufgeplatzten „Hexeneier“ volvaartig umgeben.
Der Stiel hat sich gestreckt, der reife Pilz beginnt damit, seinen für Insekten verlockenden Duft zu verbreiten
Foto: Fritz Hirschmann
Der mit einer olivgrünen, dickflüssig-schleimigen Sporenmasse bedeckte glockige Hut hängt frei auf der Stielspitze, am Scheitel hat er einen kleinen weißlichen Ring. Reife Fruchtkörper verbreiten einen intensiv süsslich-aasartigen Geruch und locken damit verschiedene Insekten an. Von der zuckerhaltigen Sporenmasse naschen z. B. Fliegen und Aaskäfer. Die Sporen der Stinkmorchel werden durch die Ausscheidungen dieser Tiere verbreitet. Bei den „abgeernteten“ Pilzen kann man die leeren weißlichen, wabenartigen Glebakammern sehen. Sie und der unangenehme Geruch haben wahrscheinlich diesem
Pilz seinen Namen gegeben.
Die Fliegen suchen nach den Resten der von ihnen begehrten Sporenmasse, die meisten Glebakammern sind bereits geleert
Foto: Fritz Hirschmann
Stinkmorcheln wachsen nicht selten auch bei länger anhaltender Trockenheit, dann sind sie manchmal die einzigen Pilze, die man im Wald finden kann. Wobei wir sie häufig nicht mit den Augen, sondern zuerst mit der Nase entdecken.
In China werden die Stinkmorcheln gezüchtet. Man schneidet die styroporartigen Stiele der ausgewachsenen Pilze in Scheiben und verwendet sie getrocknet als Suppeneinlage.
Text: Ursula Hirschmann
Fotos: Fritz Hirschmann, Claudia Menth
Literatur: Guthmann, Hahn, Reichel „Taschenlexikon der Pilze Deutschlands“
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